Eine Familie im Home Office.

Es fing damit an, dass alle Kitas und Schulen in Bayern geschlossen wurden. Als Eltern begrüßten wir diesen Schritt sehr, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen. Aber was bedeutet es für uns als Familie, berufstätige Eltern mit einem 4-jährigen Kleinkind? Es wird spannend!

Aber warum nicht mal die Komfortzone verlassen und auf diese ernstzunehmende aber nicht verzweifelte Situation eingehen? Wir denken täglich an die Fastenzeit. Das ist sie nun – wir werden für viele Wochen auf vieles verzichten. Wir werden aber auch viel dazu gewinnen. Zuerst stellte sich die Frage: Wie organisieren wir unsere Büroarbeit von zuhause und wie bespaßen wir das Kind eine ganze Woche lang ohne Kindergarten und ohne die geliebten Großeltern?

Während ich noch überlegte, was das Mittagessen im Kindergarten heute wohl zu bieten hätte und was wir stattdessen selbst kochen könnten, sah ich im Internet, wie das Wettrüsten der Do-It-Yourself-Gemeinde und der Checklisten-Fans beginnt. Schon jetzt fühlte ich mich gut unterstützt, aber auch irgendwie total abgehängt von all den Tipps und Ratschlägen. Ein guter Freund sagte mir mal „Ratschläge sind auch immer Schläge.“ So fühlte es sich fast ein bisschen an. Schnell geriet ich unter Druck und dachte mir, eine Checkliste für‘s Kochen und für‘s Basteln müsse her und ein Plan, wann Papa oder Mama im Home Office am Schreibtisch sitzen. Tag 1 gelang uns sehr gut. Wir hatten eine schöne gemeinsam Mittagspause und auch unser Kind gewöhnte sich gut an die neue Situation. Es ist immer jemand zum Spielen da, während der andere gerade am Computer sitzt. Bastelideen gab‘s auch. Aus alten Klopapierrollen, die ja gerade im Trend liegen, kann man schöne Tiere basteln.

Gestärkt mit den positiven Erfahrungen der ersten Tage gingen wir in die zweite Woche im Home Office. So langsam neigten sich die Bastelideen dem Ende. Wir saßen am Frühstückstisch. Ich nippte verschlafen an meinem Kaffee und überlegte mir, was wir neben einem Spaziergang heute als Unterhaltung einbauen könnten. Da passierte etwas völlig Unerwartetes. Ein dumpfer Schlag gegen unsere Wohnzimmerscheibe. Die Familie schaut sich fragend an. Ich stehe auf und befürchte schon das Allerschlimmste. Der Vogel, der mit voller Wucht gegen unsere Scheibe geflogen ist, liegt am Boden, neben den Gartenschuhen. Er bewegt sich kaum noch. Ein leiser Pieps, eine kleine Bewegung am Kopf, das war‘s. Unser Kind springt sofort auf und fragt, was passiert sei. Und da ist es plötzlich – unser Thema für den heutigen Tag:

Dieser kleine Vogel und seine Geschichte verdient nun unsere volle Aufmerksamkeit.

Der Vogel ist tot, aber unser Zwerg steht plötzlich mit seinem Doktorkoffer in der Hand da und bittet mich, ihm beim Verarzten des Vogels zu helfen. Doch dafür kommt leider jede Hilfe zu spät. Der Zwerg überlegt weiter. „Wir basteln eine Vogelscheuche ans Fenster!“ zum Schutz der anderen Vögel. Wir untersuchen den Vogel aus der Ferne genauer, bauen ihm ein Bett aus Stroh und am Nachmittag begraben wir ihn im Garten. Dort bleibt sein Körper, er steht nicht wieder auf. Seine Seele wird in den Himmel gehen.

„Was ist die Seele?“ schauen mich zwei fragende Kinderaugen an.

„Die Seele ist etwas Unsichtbares, das Lachen, die Gefühle, das Innere eines Menschen oder Tieres.“

„Innen? Die Knochen?“ werde ich kritisch zurück gefragt.

„Nein, der Körper und die Knochen bleiben hier unten auf der Erde. Nur das Unsichtbare wandert in den Himmel. Auch wir Großen wissen nicht, wie das genau aussieht.“ antworte ich etwas unsicher.

Unser Kind kommt letztendlich zu dem einfachen Schluss, dass der Vogel nun mit seiner Seele in den Himmel geht und dort auf unser so geliebtes und kürzlich verstorbenes Zwergkaninchen treffen wird. Eine schöne Vorstellung.

Gefühlt 100 Mal wurde ich in dieser Woche noch gefragt, warum dieser Vogel gegen unsere Fensterscheibe geflogen war. Unsere gemeinsamen Überlegungen kamen zu dem Ergebnis, dass dieses wunderschöne Exemplar ein fremder Vogel in unserem Garten gewesen sein musste. Er kannte sich einfach nicht so gut aus und übersah das Hindernis. Oft geht so ein Aufprall gut, aber in diesem Fall nahm es ein trauriges Ende. Alle anderen Vögel in unserem Garten kennen unser Haus und seine Fenster schon sehr gut. Ja, so musste es wohl gewesen sein.

Was lehrt uns diese Geschichte? Wir brauchen derzeit keine Extras, keine Superlative an Bastelideen und Checklisten. Was wir brauchen ist Achtsamkeit. Stellen wir uns die Frage, was uns dieser Tag schenkt und was er von uns erwartet.

Schauen wir genauer hin, was unsere Kinder gerade beschäftigt und was sie gerade am liebsten spielen.

Ist es das Feuerwehrauto? Dann baut aus alten Kartons Häuser und schneidet aus buntem Tonpapier Flammen aus. Schon kann das Feuer gelöscht werden. Oder ist es das geliebte Puppenhaus? Ruft die Großeltern oder Freunde über Videotelefon an und fragt sie, ob sie ein paar kleine Gardinen oder Teppiche oder etwas aus Holz für das Puppenhaus selbst gestalten können. Großeltern können so etwas gut oder haben vielleicht noch etwas im Keller oder auf dem Speicher liegen, oder fangen selbst das Heimwerkern an.

Im Übrigen ergab meine Beobachtung, dass ich den besten kleinsten Küchenhelfer zuhause habe, den ich mir nur wünschen kann. Wir kochen und backen und freuen uns auf das gemeinsame Essen. Also haben wir uns ein schönes Ziel gesetzt: In dieser Zeit werden wir ein Foto-Kochbuch erstellen. Das verschenken wir dann an Weihnachten.

Psst, nicht weiter erzählen.